Warum teilen manche Menschen jeden Erfolg und andere verbergen ihre größten Triumphe? Das sagt die Psychologie

LinkedIn-Posts über jeden kleinen Erfolg, Instagram-Stories mit Beförderungsankündigungen, Facebook-Updates über berufliche Meilensteine – du kennst sie bestimmt, diese Kollegen, die jeden noch so winzigen Triumph sofort mit der Welt teilen. Auf der anderen Seite stehen die heimlichen Überflieger, die selbst bei der größten Beförderung ihres Lebens so tun, als wäre nichts passiert. Diese gegensätzlichen Verhaltensweisen beim Umgang mit beruflichem Erfolg und persönlichen Achievements sind faszinierender, als du denkst – und beide haben ihre psychologischen Berechtigung.

Die Erfolgs-Verkünder: Mehr als nur Angeberei

Bevor wir die Social Media Champions unserer Zeit verurteilen, lohnt sich ein genauerer Blick. Denn hinter dem Drang, jeden Erfolg öffentlich zu zelebrieren, stecken oft clevere psychologische Mechanismen und völlig normale menschliche Bedürfnisse.

Selbstbestätigung steht dabei ganz oben auf der Liste der Hauptmotive. Wenn wir unsere Achievements posten, suchen wir nicht nur nach virtuellen High-Fives – wir validieren buchstäblich unsere eigene Existenz und bestätigen uns selbst, dass unsere Anstrengungen wertvoll waren. Das ist ein fundamentaler menschlicher Trieb, der in der digitalen Welt nur eine neue Form gefunden hat.

Aber da steckt noch mehr dahinter: Das Teilen von Erfolgen dient auch der Identitätsbildung. Jeder geteilte Meilenstein ist wie ein kleiner Baustein unseres öffentlichen Selbstbildes. „Schaut her, ich bin jemand, der Dinge erreicht“, kommuniziert unser Gehirn ins digitale Universum. Und ehrlich gesagt – das ist völlig normal und evolutionär sinnvoll.

Interessant wird es auch bei der Beziehungspflege als Motiv. Viele Menschen teilen ihre Erfolge nicht aus purer Eitelkeit, sondern um ihre beruflichen und privaten Netzwerke zu pflegen. Es ist eine Art modernes Stammesverhalten: „Seht her, ich bin ein wertvolles Mitglied dieser Gemeinschaft und könnte auch für euch nützlich sein.“

Warum das Feiern von Erfolgen psychologisch sinnvoll ist

Martin Seligmans PERMA-Modell aus der positiven Psychologie zeigt uns etwas Faszinierendes: Das aktive Würdigen von Erfolgen – ob öffentlich oder privat – spielt eine wichtige Rolle für unser emotionales Wohlbefinden. Menschen, die ihre Achievements bewusst feiern, erleben häufiger positive Emotionen und haben eine gesündere Selbstwahrnehmung. Das ist keine Esoterik, sondern wissenschaftlich fundiert.

Wer also seine Erfolge teilt, macht oft instinktiv das Richtige für die eigene mentale Gesundheit. Der Trick liegt nur in der Dosierung und Authentizität – aber dazu später mehr. Die Dopamin-Ausschüttung durch positives Feedback verstärkt zudem das Erfolgserlebnis und motiviert zu weiteren Leistungen.

Die stillen Erfolgreichen: Bescheidenheit oder geheime Strategie?

Jetzt zu den Erfolgs-Verbergern – den heimlichen Überfliegern, die ihre Triumphe bewachen wie Staatsgeheimnisse. Auch hier ist die Psychologie des Verhaltens alles andere als eindimensional und oft überraschend komplex.

Das Verbergen von Erfolgen kann verschiedene Wurzeln haben. Da wäre zunächst die klassische Bescheidenheit. Manche Menschen wurden schlichtweg so erzogen, dass Zurückhaltung und Demut zu den höchsten Tugenden gehören. Für sie fühlt sich das Teilen von Erfolgen unnatürlich oder sogar peinlich an – wie in Unterwäsche vor die Haustür zu gehen.

Dann gibt es aber auch die Angst vor Neid und Kritik. Diese Menschen haben oft die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass Erfolge nicht nur Freunde, sondern auch Neider anziehen. Sie befürchten, dass ihre Achievements anderen vor den Kopf stoßen könnten oder dass sie plötzlich im Mittelpunkt ungewollter Aufmerksamkeit stehen.

Wie die Kindheit unsere Erfolgs-Strategien prägt

Hier wird’s richtig interessant: Unsere Verhaltensweisen beim Umgang mit Erfolgen sind oft tief in unseren Kindheitserfahrungen verwurzelt. Das Verstärkungsprinzip aus der Lernpsychologie erklärt, warum manche Menschen zu Erfolgsteilern und andere zu -verbergern werden.

Kinder, die für das Präsentieren ihrer Leistungen Lob und Anerkennung erhalten haben, entwickeln oft eine natürliche Tendenz zum Teilen. Es wird zu einem erlernten Verhalten: „Wenn ich zeige, was ich kann, bekomme ich positive Aufmerksamkeit.“ Umgekehrt prägen negative Erfahrungen das spätere Verhalten in Richtung Zurückhaltung.

Wer als Kind für seine Erfolge als „Angeber“ abgestraft wurde oder erlebt hat, dass Leistungen zu Neid in der Familie führten, entwickelt oft eine Abneigung gegen öffentliche Selbstdarstellung. Diese Prägungen sind so stark, dass sie oft bis ins Erwachsenenalter nachwirken – selbst dann, wenn die ursprünglichen Umstände längst nicht mehr relevant sind.

Der Arbeitsplatz: Wo verschiedene Strategien aufeinanderprallen

Im Berufsleben werden diese unterschiedlichen Ansätze besonders deutlich und können zu faszinierenden Dynamiken führen. Die Erfolgs-Teiler sind oft diejenigen, die bei Beförderungen und neuen Chancen im Gedächtnis bleiben. Ihre Sichtbarkeit im Unternehmen kann sich karrieretechnisch richtig auszahlen – aber es birgt auch Risiken.

Zu viel Selbstdarstellung kann nämlich als unprofessionell oder oberflächlich wahrgenommen werden. Niemand mag den Kollegen, der jeden Kaffeekauf wie einen Geschäftsabschluss zelebriert. Die Balance zwischen angemessener Selbstdarstellung und Übertreibung ist oft hauchdünn.

Die stillen Erfolgreichen hingegen werden oft als kompetent und vertrauenswürdig geschätzt. Ihre Zurückhaltung kann als Zeichen von Seriosität und Tiefe interpretiert werden. Das Problem: Manchmal übersehen Vorgesetzte ihre Leistungen schlichtweg, weil sie nicht aktiv darauf aufmerksam gemacht werden. In einer Welt, die immer lauter wird, können leise Stimmen untergehen.

Die Falle der sozialen Vergleiche

Beide Verhaltensweisen werden stark von sozialen Vergleichsprozessen beeinflusst. In einer Welt der permanenten Selbstdarstellung auf sozialen Plattformen fühlen sich manche gedrängt, mitzuhalten – auch wenn es ihrem natürlichen Temperament widerspricht. Andere ziehen sich bewusst zurück, weil ihnen der ständige Vergleich zu viel wird.

Diese Dynamik ist besonders in der Generation der sogenannten Digital Natives zu beobachten, die mit sozialen Medien aufgewachsen ist. Für sie ist das Teilen von Lebensereignissen oft völlig normal und selbstverständlich, während ältere Generationen möglicherweise zurückhaltender sind und diese Offenheit als unpassend empfinden.

Plot Twist: Beide Strategien haben ihre Berechtigung

Hier kommt die überraschende Wendung: Weder das Teilen noch das Verbergen von Erfolgen ist grundsätzlich besser oder schlechter. Beide Strategien können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben – je nach Kontext, Dosierung und vor allem Authentizität.

Menschen, die ihre Erfolge auf eine authentische und inspirierende Weise teilen, können anderen Mut machen und wertvolle Netzwerke aufbauen. Sie zeigen anderen, was möglich ist, und können als Vorbilder fungieren. Gleichzeitig können diejenigen, die bescheiden im Hintergrund arbeiten, durch ihre Zuverlässigkeit und Tiefe glänzen und oft als vertrauenswürdiger wahrgenommen werden.

Das Problem entsteht meist dann, wenn wir gegen unsere natürlichen Neigungen handeln. Ein introvertierter Mensch, der sich gedrängt fühlt, jeden kleinen Erfolg zu verkünden, wirkt oft unecht und verkrampft. Umgekehrt kann jemand, der von Natur aus mitteilsam ist, aber seine Erfolge unterdrückt, unzufrieden und letztendlich unsichtbar werden.

Die Kunst der bewussten Balance

Die psychologische Forschung zeigt uns: Die gesündeste Herangehensweise liegt oft in der bewussten Balance. Das bedeutet, unsere eigenen Motivationen zu verstehen und authentisch zu handeln, während wir gleichzeitig flexibel genug bleiben, um je nach Situation angemessen zu reagieren.

Ein Teammeeting erfordert andere Kommunikationsstrategien als ein entspanntes Gespräch mit Freunden. Ein LinkedIn-Post hat andere Regeln als ein Familiendinner. Die Kunst liegt darin, den Kontext zu lesen und entsprechend zu handeln, ohne dabei die eigene Persönlichkeit zu verleugnen.

Der unsichtbare Einfluss kultureller Normen

Ein oft übersehener Aspekt sind die kulturellen und sozialen Normen, die unser Verhalten prägen. In manchen Kulturen und Branchen ist Selbstdarstellung erwünscht und wird als Zeichen von Selbstbewusstsein und Initiative gewertet. In anderen gilt Zurückhaltung als Tugend und offene Selbstdarstellung als verpönt.

Diese Normen können sich auch über die Zeit wandeln. Was früher als Angeberei galt, ist heute vielleicht völlig normal – und umgekehrt. Menschen, die erfolgreich navigieren, verstehen diese ungeschriebenen Regeln intuitiv und passen ihr Verhalten entsprechend an, ohne dabei ihre Authentizität zu verlieren.

Auch die Persönlichkeitsstruktur spielt eine entscheidende Rolle. Extravertierte Menschen haben oft ein natürlicheres Verhältnis zum Teilen von Erfolgen, während Introvertierte möglicherweise eher zum Verbergen neigen – nicht aus Scham oder Unsicherheit, sondern weil sie Aufmerksamkeit als anstrengend empfinden und ihre Energie lieber anders einsetzen.

Was das alles für dich bedeutet

Am Ende des Tages gibt es keine universelle Formel für den „richtigen“ Umgang mit Erfolgen. Was zählt, ist die bewusste Entscheidung basierend auf Selbstkenntnis, Empathie und authentischen Werten. Die wichtigste Erkenntnis: Sowohl das Teilen als auch das Verbergen von Erfolgen sind normale, menschliche Verhaltensweisen mit legitimen psychologischen Wurzeln.

Statt andere für ihre Strategie zu verurteilen, können wir versuchen, die Motive dahinter zu verstehen – und gleichzeitig unseren eigenen Weg zu finden. Hier sind praktische Überlegungen, die dir helfen können:

  • Frag dich nach deinen wahren Motiven: Warum willst du diesen Erfolg teilen oder verbergen? Aus Freude, Angst, strategischen Überlegungen oder sozialen Erwartungen?
  • Beobachte den Kontext: Was ist in deiner Branche, deinem Umfeld und deiner Kultur angemessen?
  • Bleib authentisch: Handelt dein Verhalten entsprechend deiner wahren Persönlichkeit oder versteckst du dich?
  • Denk an deine Ziele: Unterstützt deine Strategie deine langfristigen beruflichen und persönlichen Ambitionen?

Denn letztendlich ist Erfolg etwas sehr Persönliches. Wie wir ihn definieren, feiern oder für uns behalten, sagt viel über uns aus – und das ist völlig in Ordnung. Die wahre Kunst liegt darin, authentisch zu bleiben und dabei sowohl unsere eigenen Bedürfnisse als auch die unserer Mitmenschen im Blick zu behalten.

In einer Welt, die oft in Extreme verfällt – entweder totale Zurückhaltung oder permanente Selbstdarstellung – liegt die wahre Stärke vielleicht in der bewussten Wahl. Manchmal ist es richtig zu teilen, manchmal ist es besser zu schweigen. Und manchmal ist es einfach okay, stolz auf sich zu sein – egal ob laut oder leise, solange es echt ist. Diese Flexibilität und Selbstkenntnis macht den Unterschied zwischen authentischem Verhalten und aufgesetzter Performance.

Wie zeigst du deinen beruflichen Erfolg – wenn überhaupt?
LinkedIn-Powerposter
Versteckt und stolz
Nur im Freundeskreis
Strategisch dosiert
Niemals – ist privat

Schreibe einen Kommentar